Lebende Legende oder Plug-In Pony?

Lebende Legende oder Plug-In Pony?

electric WOW hat dem E-Mustang auf dem Flugfeld in Buochs die Sporen gegeben und getestet, ob er in die grossen Reifenspuren seiner Vorgänger rollen kann.

Selten spaltet ein Fahrzeug die Meinungen der Auto-Enthusiasten so sehr, wie Fords neuster Streich. Mit der Elektrifizierung des Mustangs tritt der US-Autobauer so manchem Nostalgiker auf den Schlips: E-Aggregat statt V8-Big-Block.
 

Gleichzeitig zeigt nichts die unterschiedlichen Wahrnehmungen eines Ford Mustangs besser auf, als die Lancierung der neusten Modellreihe. Denn: Nachdem sich der Mustang jahrzehntelang in den Köpfen von Millionen Fans und in unzähligen Hollywood-Streifen zum Synonym für Muscle-Cars stilisiert hat, zwingt uns Fords Marketingabteilung durch eine kontroverse Namensgebung nun zur Gegenkonditionierung: weg vom tief blubbernden US-Sportcoupé hin zum geräuscharmen Elektro-SUV.

 

Von der ursprüngliche Mustang-Dreifaltigkeit Freiheit, Pioniergeist und dem Hauch Rebellion solle dabei aber nichts eingebüsst werden, so das Versprechen des US-Autobauers an der Weltpremiere 2019. Letze Woche – oder exakt anderthalb Jahre nach der Enthüllung – wurden die ersten Fahrzeuge in die Schweiz geliefert. Genauer: Auf das Rollfeld des Flugplatzes in Buochs (NW). Aufgestellt in Reih und Glied stehen sie – breit in der Spur, mit dynamischer Form aber weit entfernt vom gewohnten Mustang-Bild – zwischen zwei Pylonen-Parcours. Die explizierte Message: Trotz Vorfahren mit Ikonenstatus will man sich nicht verstecken.

 

Nach einem kurzen Stallgang und dem Beäugen der einzelnen Modelle haben wir unser Wunsch-modell gefunden. Wir setzen gleich zu Beginn auf die Top-Version: Ford Mustang Mach-E Extended Range, AWD. Unser Begleiter verfügt über einen Dual-Elektromotor, Allradantrieb und die grosse 88 kWh-Batterie. So leistet der E-Crossover 351 PS sowie 580 Nm und verspricht eine maximale Reichweite von 540 Kilometern. Wer bei der gleichen Batterie auf den 4x4-Antrieb sowie 57 PS verzichtet und ganz Mustang-like den Heckantrieb wählt, fährt sogar bis zu 610 Kilometer – not bad! Die kleinere Batterie (Standard Range) hat eine Kapazität von 68 kWh und befördert den Mach-E je nach Antriebsart 440 bzw. 400 Kilometer weit.

 

Genug Theorie! Einsteigen, anschnallen und losfahren. Ganz ohne Erklärung geht’s dann aber doch nicht. «Hier fehlt der Türgriff», ruft ein Kollege verdutzt. «Einfach den Knopf an der A-Säule drücken», antwortet der Instruktor. Die Tür öffnet automatisch - der Luftwiderstandswert dankt. Im Cockpit angekommen, thront das berühmte Pony auf dem multifunktionalen Lenkrad, dahinter findet sich ein flaches Display mit Informationen zur Reichweite, Geschwindigkeit und Fahrzeugstatus. In der Cockpit-Mitte ragt ein 15,5 Zoll grosser Touchscreen-Display mit integriertem – sehr praktischen – Drehregler für die Lautstärke. Ähnlich pragmatisch ist der Aufbau und das Design des Infotainmentsystems. Lediglich die Sprachsteuerung scheint, wie in vielen Modellen mit dem blauen Oval, noch nicht vollends ausgereift.

 

Also wird das Navi über den Touchscreen bedient. Zielort: Bürgenstock. Wir rollen weg vom Flugplatz auf die Hauptstrasse. Schon nach dem ersten Kilometer steht fest: Auch im Mustang Mach-E hat Ford ihrer Paradedisziplin alle Ehre gemacht: Das Fahrwerk ist nahezu perfekt abgestimmt! Der Mustang Mach-E glättet mit seinen 19-Zöllern zwar nicht komplett alles weg, bolzt aber nicht hölzern über den Asphalt. Geradeaus ist das Gewicht von 2,2 Tonnen nicht zu spüren, in den Kurven lenkt unser Begleiter präzise ein.

 

Am Zielort angekommen erwartet uns eine wunderbare Aussicht über den Vierwaldstättersee. Hallo und Tschüss. Nach gut 30 Sekunden zieht es mich wieder zurück in Richtung Mach-E – da gibt es noch genauso viel zu entdecken. Für den Rückweg stellen wir den Fahrmodus von «aktiv» auf «zahm» – «temperamentvoll» sparen wir uns für später auf –, aktivieren den One-Pedal-Drive und fahren ohne Bremsbetätigung, dafür mit Energierückgewinnung, den Hügel hinunter zurück zum Flughafen. Nach dem durch Kameras unterstützten Parkvorgang, interessiert vor allem der Verbrauch. Dieser wird detailliert aufgezeigt: 27 km, 41:08 Minuten und 5,0 km/kWh. Zusätzlich zeigt ein Balkendiagramm an, wofür die Energie genau verbraucht wird: 20% Klima, 62% Route, 7% Zubehör, 12% Auss.-Temp. – super Feature!

 

Nach dem gemütlichen Teil folgt der Performance-Test auf dem Rollfeld. Als erstes gilt es einen Slalom-Parcours mit Kehrtwende so schnell wie möglich zu meistern – Freude herrscht. Kurz den Mode auf «Temperamentvoll» einstellen, der Soundgenerator bleibt «off» und los geht’s. Der Sprint zum ersten Bogen zeigt, wozu der Mach-E fähig ist. Innert Sekundenbruchteilen sind wir an der ersten Pylone, die Reifen quietschen kurz auf, trotzdem hält sich das Geschoss sauber in der Spur. Selbst wenn man denkt, dass kann jetzt aus Physik-Gründen nicht mehr reichen, fängt sich das Fahrzeug sauber ab! Noch schneller wird’s im zweiten Teil. Vor uns liegt eine 100 Meter Gerade, an deren Ende eine Geschwindigkeitsmessung. Bremse drücken, Vollgas geben, Bremse lösen und geniessen. Der Mach-E beamt sich geräuschlos nach vorne vorbei an der Messstelle. Resultat: 102 km/h nach 100 Metern – gedauert hat der Sprint etwas über 5 Sekunden.

 

Fazit: Von der Performance her braucht sich der elektrische Mustang nicht von seinen konventionellen Brüdern zu verstecken – dafür muss sich die E-Konkurrenz warm anziehen. In Punkto Verarbeitung übertrumpft er die E-Fahrzeuge aus Wolfsburg und auch jene aus San Francisco. Kurzum: Mit dem Mustang Mach-E schickt Ford ein Top-Elektroauto auf den Markt – für welches man aber auch namenstechnisch ein neues Kapitel hätte öffnen dürfen! (fs)

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