VW ID.3 – schon gefahren

VW ID.3 – schon gefahren

Hätte der ID3 Schultern, sie hätten viel zu tragen. Der neue Stromer von Volkswagen soll für die E-Mobilität nicht weniger als das sein, was der Käfer oder Golf einst für das Auto an sich waren; also den Durchbruch bringen.

Dafür wagt Volkswagen für seine Verhältnisse so manch neues Experiment, verlässt sich sonst aber an vielen Stellen auf das, was sie am besten können. Rein technologisch bedeutet das vor allem mal: Eine Konzern-Plattform bauen. MEB heißt sie. Das steht für Modularer Elektroantriebs-Baukasten und wird uns in nächster Zeit als Akronym noch öfter unterkommen. Bei nahezu allen folgenden E-Autos von Skoda, Seat, Cupra, Audi und auch Ford nämlich, die im Rahmen der jüngst ins Leben gerufenen Kooperation ebenfalls darauf zurückgreifen werden.

Doch zurück zum ID.3: Bei näherer, technischer Betrachtung fällt eine weitere Gemeinsamkeit mit dem guten, alten Käfer auf: Heckantrieb. Der Motor sitzt also hinten. Das ist selten geworden; außer vom Porsche 911 kennt man das heutzutage sonst eigentlich nur noch vom Smart bzw. dessen französischem Bruder Renault Twingo. Die Vorteile sind bei allen gleich: Zum einen werden die angetriebenen Räder beim Beschleunigen besonders fest in den Asphalt gedrückt, was gerade hinsichtlich der E-Motoren naturgemäß spontan entlockbaren Kraft eine feine Sache ist und Traktionsprobleme reduziert. Zum anderen aber heißt das vor allem auch, dass sich die Vorderräder einzig und allein aufs Angeben der Richtung konzentrieren können, ohne dass ihnen ein Motor im Weg wäre. Ergo: sie können besonders weit eingeschlagen werden, was winzig kleine Wendekreise ermöglicht. Knapp über 10 Meter sind es beim ID.3. Natürlich nicht ganz so atemberaubend wie beim kleinen Renault/Daimler-Flitzer, aber immerhin auf Augenhöhe mit dem doch deutlich kleineren Polo.

Apropos „Größe“: Entgegen VWs erster E-Mobilitäts-Gehversuche mit Namen e-Golf oder e-up! Ist der ID.3 von vornherein als E-Fahrzeug konzipiert worden. Ganz so wie beim Jaguar i-Pace konnte also eine lange Motorhaube mangels namensgebendem Treibstoffverheizer gestrichen und die Fahrgastzelle besonders weit nach vorn und hinten gezogen werden. Das Ergebnis: Außenmaße knapp auf Golf-Niveau, innen aber Platz wie in einem Passat Kombi. Zumindest in Sachen Raumgefühl in Reihe Eins und Beinfreiheit in Reihe Zwei. Bei größer gewachsenen Mitfahrern wird im Fond ob der doch etwas dynamischer gezeichneten Linie eventuell der Scheitel etwas platt gedrückt. Auch beim Kofferraum muss man mit den 385 bis 1.267 Litern (Rückbank serienmäßig geteilt umlegbar) im ID.3 freilich kürzertreten als in VWs Mittelklasse-Offert.

Doch zurück nach vorn: Auf den Fahrersitz nämlich. Dort wartet neben sehr bewusst modern gehaltenem Design, das ohne jedwede haptische Tasten auskommen muss, so manch technisches Gimmick, verpackt in einen Materialmix der als „margenoptimiert“ bezeichnet werden darf; sich also aus gerade noch angenehm angreifbaren Oberflächen ebenso zusammensetzt, wie aus billig wirkendem Hartplastik. Leder übrigens wird man hier, bis aufs Lenkrad, vergeblich suchen. Die straffen aber bequemen Stühle mit AGR-Zertifikat sind ausnahmslos mit „tierfreien Materialien“ bezogen. Auch Chrom-Applikationen sind übrigens out: „Licht ist das neue Chrom“, skandiert Volkswagen. Innen wie außen. Während also im cleanen Außendesign eine weiße Lichtlinie bei entsprechenden Ausstattungshakerln die beiden LED-Scheinwerfer verbinden, die einem zur Begrüßung beim Öffnen mit einem Aufschlag zuzwinkern, wartet innen neben verstellbarer Ambientebeleuchtung auch das neue ID.Light: Ein weiteres Lichtband, das zur Kommunikation mit dem Fahrer genutzt wird. Während der Navigation etwa zeigt es an, in welche Richtung man abbiegen muss und wenn der Kollisionswarner „Alarm“ schreien beginnt, leuchtet es in grellem Rot um weiter den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Ein netter Gag. Noch ein Eck hilfreicher ist da das neue Head Up-Display, das nun auch Augmented Reality-Features mitbringt – also quasi „vor das Fahrzeug“ Richtungspfeile ins Sichtfeld des Fahrers projiziert, damit er auch ganz sicher weiß, wo er nun abbiegen muss. Darüber hinaus warten freilich die zu erwartenden, zwei LCD-Displays auf einen: ein 5 Zoll „großer“ Screen hinterm Lenkrad, ein 10 Zoll messender Touchbildschirm im leicht zum Fahrer geneigten Armaturenbrett. Dass die Technik dahinter voll vernetzt ist und von Apple Carplay und Android Auto, über via App steuerbare Standklimatisierung bis rauf zu „over the air updates“ wie sie Tesla einst salonfähig machte, alle Stückerl spielt, ist quasi selbstverständlich.

„Ja, aber wie fährt sich das Ding denn nun?!“ hör‘ ich euch schon ungeduldig rufen. Also gut. Genug theoretisches Geplänkel! Einsteigen, Bremse drücken und schon erwacht der Wagen zum Leben. Startknopf drücken braucht es nicht – wozu auch, bei einem Stromer. Der fest an der Lenksäule montierte Fahrmodus-Wahlhebel wird nach vorn bedrückt, wir treten aufs Gas und surren los. Dass das quasi lautlos vonstattengeht, kennt man von E-Autos ja, der ID.3 zeigt sich aber zugegeben als ganz besonders gut gedämmt. So leise reist es sich sonst nur in deutlich größeren und teureren Fahrzeugen.

Nach den ersten Autobahnkilometern und Landstraßen-Kurven lässt sich darüber hinaus attestieren, dass die Mischung aus kräftigem Motor, überraschend schwergängiger Lenkung, niedrigem Schwerpunkt und solider Fahrwerksabstimmung durchaus zu gefallen weiß. Übertriebener Dynamiker ist der ID.3 aber keiner. Ausbrüche des inneren Hooligans werden von der Elektronik gekonnt glatt gebügelt. Automobile Quertreiber mit unbedingter E-Affinität müssen also auf den wohl kommenden GTI warten, oder auf sportliche Plattformbrüder von Cupra, Audi oder Ford warten. Wer allerdings ohnehin gemütlich dahincruist, wird hier sicher glücklich. Zumal auch der intelligente, teilautonome Fahr-Assistent während unserer Feldversuche eine gute Figur gemacht hat.

Fürs Erste gibt es zwei Versionen vom ID.3 geben. Eine mit 58 und eine mit 77 kWh-Akkus. Eine kleinere „Einstiegsversion“ folgt noch. VW ist jedenfalls überzeugt, dass die meisten zur 58 kWh-Version greifen werden, die wir auch gefahren sind. Mit ihren bis zu 420 km Reichweite nach WLTP und einem Startpreis von 35.574,95 Euro stellen sie vermeintlich den Sweetspot aus Praxisnutzen und Leistbarkeit dar. Spannend für VW: Entgegen endlos langer Aufpreislisten setzen die Wolfsburger beim ID.3 auf acht vorkonfigurierte Ausstattungslinien, die vermeintlich alle Vorlieben abdecken sollen: Pro Performance, Pro, Life, Style, Business, Family, Tech und Max, wobei letztere Linie mit einem Preis von 45.917,48 Euro quasi die Version „bitte mit alles und scharf“ für den 58 kWh-ID.3 darstellt. Der Achte im Bunde ist sodann der „Tour“: Die einzige Variante, in der die 77 kWh-Version gekauft werden kann, die dafür nur vier Sitzplätze bietet (Gewichts-Gründe) und ab 49.040,– kostet.

Zu guter Letzt: Die Lademöglichkeiten. Ab Werk unterstützt die ID.3-Basisversion eine Ladeleistung von maximal 100 kW, höhere Ausstattungslinien schaffen auch bis zu 125 kW. Damit wird ein auf 5 Prozent herunter gefahrener Akku in 30 Minuten wieder zu 80 Prozent voll – kommt also wieder 350 Kilometer weit. Deutlich langsamer geht’s freilich an der heimischen Steckdose, die idealerweise aber keine Steckdose, sondern eine Wallbox mit 11 kW Ladeleistung ist, die VW aktuell um attraktive 388 Euro anbietet (zuzüglich Montage). Damit ist eine komplett leere Batterie in maximal 7,5 Stunden wieder voll.

Bestellstart für den ID.3 ist jetzt, bzw. war am 24.08.2020, ausgeliefert wird ab Dezember. Für jede einzelne Version des ID.3 kann dabei der Höchstfördersatz für Elektrofahrzeuge in Höhe von 5.400 Euro brutto beantragt werden. Zusätzliches Zuckerl: Kunden bekommen je nach Land für bis zu drei Jahre gebührenfrei den ID-Vorzugstarif bei VWs eigenem Ladekarten-Service „We Charge“ mit Zugang zu öffentlichem Laden in Europa inklusive dem IONITY Schnellladenetz. Hier kann für 55ct/kWh mit bis zu 100 bzw. 125 kW für den ProS geladen werden. Für Vielfahrer lohnt sich das Tarif-Modell mit einer monatlichen Grundgebühr von unter 10 Euro und attraktiven 30ct/kWh bei IONITY.

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